Kündigungen deutscher Arbeit­nehmer aus dem Ausland: Hierauf müssen inter­nationale Unter­nehmen achten

Kündigungen deutscher Arbeit­nehmer aus dem Ausland: Hierauf müssen inter­nationale Unter­nehmen achten
Zusammenfassung
  • Kündigen Sie auch in grenzüberschreitenden Konstellationen grundsätzlich schriftlich, um erhebliche Prozessrisiken in Deutschland zu vermeiden.
  • Wenn Sie ohne Schriftform kündigen möchten, prüfen Sie die Formvorschriften des Erklärungsstaates detailliert und dokumentieren Sie alle rechtfertigenden Umstände nachweisbar.
  • Fügen Sie bei Vertretung durch Bevollmächtigte eine Originalvollmacht bei und schieben Sie vorsichtshalber eine hilfsweise schriftliche Kündigung nach.

In diesem Artikel erklärt Rechtsanwalt und Steuerberater Hubertus Scherbarth, welche Formerfordernisse bei grenzüberschreitenden Kündigungen zu beachten sind. Hierbei werden die Regeln berücksichtigt, die die neuste Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts aufgestellt hat.

Schwierig­keiten bei grenz­über­schreitender Kündigungs­erklärung

Nach § 623 BGB müssen Kündigungen in Deutschland zwingend schriftlich erfolgen – das heißt sie müssen von einer kündigungsberechtigten Person händisch unterschrieben sein und das originale Kündigungsschreiben muss dem Vertragspartner im Original zugehen. Mündliche oder elektronische Kündigungserklärungen sind formunwirksam. Das Formerfordernis ist zwingend und fast ausnahmslos einzuhalten.

In der Praxis führt das häufig zu Schwierigkeiten. Unternehmen mit ausländischen Konzernmüttern oder im Ausland befindlicher Geschäftsführung ist das deutsche Schriftformgebot häufig nicht geläufig. Die grenzüberschreitende Zustellung einer schriftlichen Kündigung ist zudem mit erhöhtem Zeitaufwand und Zustellrisiken verbunden. Hieraus können Frist- und Zugangsprobleme entstehen.

Ausnahme vom Schrift­form­erfordernis nach inter­nationalem Privat­recht

Jedoch gilt auch hinsichtlich der strengen Schriftform die Redewendung: „Ausnahmen bestätigen die Regel". So ist es in einigen bestimmten grenzüberschreitenden Konstellationen möglich, ein deutsches Arbeitsverhältnis zu kündigen, ohne die strenge Schriftform einhalten zu müssen.

Bei grenzüberschreitenden Arbeitsverhältnissen regelt das internationale Privatrecht in der Rom I-VO (vormals bis 16.12.2009 das EGBGB), welches Arbeitsrecht auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findet. Das richtet sich gem. Art. 8 Rom I-VO grundsätzlich nach der vertraglichen Rechtswahl, wobei hierdurch nicht von zwingenden Arbeitnehmerschutzvorschriften abgewichen werden kann. In Ermangelung einer Rechtswahl unterliegt das Arbeitsverhältnis dem Recht des Staates, in dem oder von dem aus der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet. In der Regel führen die Kollisionsnormen somit dazu, dass Arbeitsverhältnisse deutschem Recht unterliegen, wenn der Arbeitnehmer in Deutschland arbeitet.

Allerdings enthält Art. 11 Abs. 3 Rom I-VO eine spezielle Norm zur Kündigungsform bei Arbeitsverhältnissen. Maßgeblich ist insoweit das Recht des Ortes, an dem die Kündigungserklärung abgegeben wird; und zwar unabhängig davon, welches Recht im Übrigen auf das betreffende Arbeitsverhältnis anwendbar ist.

Erklärt der Arbeitgeber eine Kündigung beispielsweise von Chicago aus per E-Mail, gelten die Formerfordernisse nach dortigem US-Recht. Weil das Recht der Vereinigten Staaten dort keine Schriftform für Kündigungen vorschreibt, muss die Kündigung nicht schriftlich erklärt werden.

Das Bundesarbeitsgericht hat entsprechend bereits mit Urteil vom 22.08.2024, 2 AZR 251/23, entschieden, dass Kündigungen, die aus dem Ausland aus ausgesprochen werden, nicht zwingend der deutschen Schriftform unterliegen. Diese Linie hat das BAG mit seiner jüngsten Entscheidung vom 18.06.2025, 2 AZR 97/24 (B) bestätigt.

Reich­weite der Ausnahme stark beschränkt

Wichtig ist, dass diese Spezialvorschrift des Art. 11 Abs. 3 Rom I-VO nur Abweichungen zur Form der Kündigungserklärung erlaubt. Für andere Belange eines deutschen Arbeitsverhältnisses bleibt nationales Recht anwendbar. Aus nationalem Recht ergeben sich zudem einige mittelbare Einschränkungen und Folgeprobleme, die im Einzelfall zu beachten sind. Das hat auch das BAG klargestellt. Wichtig sind insbesondere:

1. Kündigungs­frist muss eingehalten werden

Für die Kündigungsfrist gilt weiterhin deutsches Recht (§ 622 Abs. 2 BGB). Diese Schutzvorschrift ist nach der Rechtsprechung zwingend und nicht zu Lasten des Arbeitnehmers dispositiv.

2. Klage­frist nach dem KSchG läuft nur bei schrift­licher Kündigung

Auch der gerichtliche Kündigungsschutz kann und muss weiterhin nach nationalem Recht verfolgt werden. So gilt weiterhin die dreiwöchige Klagefrist des § 4 KSchG, die nur dann zu laufen beginnt, wenn dem Arbeitnehmer eine schriftliche Kündigung zugeht. Geht die Kündigung aus dem Ausland dem Arbeitnehmer z. B. per E-Mail zu, mag diese wegen des internationalen Privatrechts ausnahmsweise formgemäß sein. Jedoch wird die Klagefrist nach dem KSchG nicht in Gang gesetzt.

3. Vertrag­liche Regelungen und Nach­weis­gesetz sind einzu­halten

Auch vertragliche Regelungen und das Nachweisgesetz gelten uneingeschränkt. Das Nachweisgesetz verpflichtet Arbeitgeber, Arbeitnehmer eine Niederschrift mit den wesentlichen Vertragsbedingungen des Arbeitsverhältnisses zu erteilen. Zu den wesentlichen Vertragsbedingungen gehört gem. § 2 Abs. 1 S. 7 Nr. 14 NachwG auch die Schriftform der Kündigung. Die meisten Arbeitsverträge enthalten auch vor diesem Hintergrund eine Regelung, dass jede Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Schriftform bedarf. In diesem Fall sind Arbeitgeber schon vertraglich an die Schriftform gebunden, unabhängig davon, ob sie die Kündigung aus dem Ausland versenden oder nicht.

4. Inter­nationales Privat­recht darf nicht rechts­miss­bräuchlich ausgenutzt werden

Das internationale Privatrecht darf nicht absichtlich genutzt werden, um die Schriftform nach nationalem Recht zu umgehen. Begibt sich der Arbeitgeber zum Beispiel mit der Absicht ins Ausland, um dort eine Kündigungserklärung ohne Schriftform abzugeben und so die Schriftform zu umgehen, dürfte eine solche Kündigung unwirksam sein.

5. Bei Erklärung durch Bevoll­mächtigten Voll­machts­urkunde vorlegen

Lässt sich der Arbeitgeber durch einen rechtsgeschäftlich Bevollmächtigten bei Abgabe der Kündigungserklärung vertreten, muss er § 174 BGB beachten. Danach kann der Arbeitnehmer eine Kündigung unverzüglich zurückweisen, wenn der Bevollmächtigte bei Erklärung der Kündigung keine originale Vollmachtsurkunde vorlegt. Die Vorlage einer Vollmachtsurkunde ist ausnahmsweise nicht erforderlich, wenn die vertretungsberechtigte Person als solche im Handelsregister eingetragen ist.

Ergebnis und Handlungs­empfehlung

Für ein und dasselbe Arbeitsverhältnis können bei grenzüberschreitenden Sachverhalten für verschiedene Belange unterschiedliche Rechtsordnungen gelten. Auch wenn eine Kündigung aus dem Ausland ausnahmsweise ohne Einhaltung der Schriftform wirksam erklärt werden kann, ist im Übrigen grundsätzlich deutsches Recht einzuhalten. Erfolgt die Kündigung nicht schriftlich entstehen dadurch an anderer Stelle erhebliche Prozessrisiken in Deutschland.

Kündigungen hiesiger Arbeitsverhältnisse sollten schon deswegen auch in internationalen Konstellationen immer schriftlich erklärt und im Original nachweisbar zugestellt werden.

Wenn ein Arbeitgeber ohne Einhaltung der Schriftform kündigen möchte, sollte er die Ausnahmevoraussetzungen, insbesondere die Formvorschriften des Staates, aus dem die Kündigung erklärt wird, detailliert prüfen. Zudem sind die Umstände, die die Ausnahme rechtfertigen, nachweisbar zu dokumentieren.

Soll die Kündigung von einem nicht im Handelsregister eingetragenen Bevollmächtigten erklärt werden, sollte der Kündigung eine Originalvollmacht beigefügt werden.

Vorsichtshalber ist dem Arbeitgeber anzuraten, zusätzlich noch eine hilfsweise schriftliche Kündigung nachzuschieben.

Wir beraten Sie kompetent zu Beendigungsmöglichkeiten eines Arbeitsverhältnisses. Wir helfen Ihnen, die mit der Kündigung eines Arbeitsverhältnisses regelmäßig einhergehen Risiken zu erkennen und bestmöglich zu minimieren.

Fragen und Antworten

Ja, nach § 623 BGB müssen Kündigungen in Deutschland zwingend schriftlich erfolgen. Das bedeutet:
  1. Die Kündigung muss von einer kündigungsberechtigten Person händisch unterschrieben sein
  2. Das originale Kündigungsschreiben muss dem Vertragspartner im Original zugehen
  3. Mündliche oder elektronische Kündigungserklärungen sind formunwirksam
Das Formerfordernis ist zwingend und fast ausnahmslos einzuhalten.

Ja, bei grenzüberschreitenden Kündigungen gibt es eine wichtige Ausnahme. Nach Art. 11 Abs. 3 Rom I-VO gelten die Formvorschriften des Staates, in dem die Kündigungserklärung abgegeben wird. Beispiel: Erklärt der Arbeitgeber eine Kündigung von Chicago aus per E-Mail, gelten die US-amerikanischen Formerfordernisse, die keine Schriftform vorschreiben. Das Bundesarbeitsgericht hat dies in den Urteilen vom 22.08.2024 (2 AZR 251/23) und 18.06.2025 (2 AZR 97/24) bestätigt.

Bei grenzüberschreitenden Arbeitsverhältnissen regelt die Rom I-Verordnung (Rom I-VO), welches Arbeitsrecht Anwendung findet. Grundsätzlich gilt:
  • Das Recht richtet sich nach der vertraglichen Rechtswahl
  • Ohne Rechtswahl gilt das Recht des Staates, in dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet
  • Für die Kündigungsform gilt jedoch eine Spezialregelung nach Art. 11 Abs. 3 Rom I-VO
Zwingenden Arbeitnehmerschutzvorschriften können nicht durch Rechtswahl umgangen werden.

Die Ausnahme von der Schriftform ist stark beschränkt und betrifft nur die Form der Kündigungserklärung. Wichtige Einschränkungen:
  1. Kündigungsfristen nach deutschem Recht (§ 622 BGB) müssen eingehalten werden
  2. Die dreiwöchige Klagefrist nach § 4 KSchG läuft nur bei schriftlicher Kündigung
  3. Vertragliche Regelungen zur Schriftform bleiben bindend
  4. Das Nachweisgesetz gilt uneingeschränkt
  5. Rechtsmissbräuchliche Ausnutzung ist unzulässig

Nein, die dreiwöchige Klagefrist nach § 4 KSchG beginnt nur zu laufen, wenn dem Arbeitnehmer eine schriftliche Kündigung zugeht. Eine E-Mail-Kündigung aus dem Ausland kann zwar nach internationalem Privatrecht formwirksam sein, setzt aber die Klagefrist nicht in Gang. Dies führt zu erheblichen Prozessrisiken für Arbeitgeber, da der Kündigungsschutz unbefristet geltend gemacht werden kann.

Bei Kündigungen durch Bevollmächtigte gilt § 174 BGB:
  • Der Bevollmächtigte muss bei Erklärung der Kündigung eine originale Vollmachtsurkunde vorlegen
  • Ohne Vorlage kann der Arbeitnehmer die Kündigung unverzüglich zurückweisen
  • Ausnahme: Die Vollmachtsurkunde ist nicht erforderlich, wenn die vertretungsberechtigte Person als solche im Handelsregister eingetragen ist
Bei internationalen Kündigungen sollte der Kündigung vorsichtshalber immer eine Originalvollmacht beigefügt werden.

Nein, das internationale Privatrecht darf nicht rechtsmissbräuchlich ausgenutzt werden. Begibt sich der Arbeitgeber absichtlich ins Ausland, um dort eine Kündigungserklärung ohne Schriftform abzugeben und so die deutsche Schriftform zu umgehen, dürfte eine solche Kündigung unwirksam sein. Die Ausnahme gilt nur bei echten grenzüberschreitenden Sachverhalten, nicht bei künstlich geschaffenen Auslandsbezügen.

Arbeitgebern wird dringend empfohlen:
  1. Immer schriftlich kündigen: Kündigungen sollten auch in internationalen Konstellationen schriftlich erklärt und im Original nachweisbar zugestellt werden
  2. Detaillierte Prüfung: Bei gewünschter Abweichung von der Schriftform die Ausnahmevoraussetzungen und Formvorschriften des anderen Staates detailliert prüfen
  3. Dokumentation: Die Umstände, die die Ausnahme rechtfertigen, nachweisbar dokumentieren
  4. Hilfsweise schriftliche Kündigung: Vorsichtshalber zusätzlich eine schriftliche Kündigung nachschieben

Ja, das Nachweisgesetz (NachwG) gilt uneingeschränkt auch bei internationalen Kündigungen. Nach § 2 Abs. 1 S. 7 Nr. 14 NachwG gehört die Schriftform der Kündigung zu den wesentlichen Vertragsbedingungen, die dem Arbeitnehmer schriftlich mitzuteilen sind. Die meisten Arbeitsverträge enthalten daher eine Regelung, dass jede Kündigung der Schriftform bedarf. In diesem Fall sind Arbeitgeber vertraglich an die Schriftform gebunden, unabhängig vom Ort der Kündigungserklärung.

Nicht-schriftliche internationale Kündigungen bergen erhebliche Prozessrisiken:
  • Unbefristete Anfechtbarkeit: Klagefrist nach KSchG läuft nicht an
  • Vertragsverletzung: Verstoß gegen vertragliche Schriftformklauseln
  • Beweisprobleme: Schwierigere Dokumentation der Kündigungserklärung
  • Rechtsunsicherheit: Komplexe internationale Rechtslage
Daher sollten auch bei formwirksamen E-Mail-Kündigungen aus dem Ausland vorsichtshalber schriftliche Kündigungen nachgeschoben werden.

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